
Die Krise stellt auch Sozialorganisationen vor nicht gekannte Herausforderungen. Wer jetzt schon eine lebendige Vision hat und mit der OKR-Methode arbeitet, ist klar im Vorteil.
1. Strategiearbeit auch wenn sich alles verändert
Der Corona-Lockdown bedeutete auch für viele Sozialorganisationen von einem auf den anderen Tag: Alles ist anders. Viele sozialräumlich arbeitenden Organisationen mussten ihre Angebote einstellen (öffentliche Tafeln, etc.), oder sich neue Formate überlegen (Welche Beratungen können auch digital laufen und wie machen wir das?).
Führungskräfte in Sozialorganisationen sind mehr denn je gefragt, strategisch zu planen – was sich in dieser Phase als größte Herausforderung herausstellt. Denn die Zukunft ist ungewiss, der Spendenmarkt nicht vorhersehbar, die Beschränkungen im öffentlichen und privaten Leben nach wie vor vorhanden.
Das Problem in Sozialorganisationen: Sie arbeiten besonders ungern am eigenen System. Das ist jedenfalls meine Erfahrung. Lieber werden neue Projekte und Kampagnen aufgesetzt, als Strategien zu entwickeln, klare Strukturen zu bauen und funktionierende Systeme der Zusammenarbeit aufzusetzen. Jetzt in der Krise führt daran kein Weg vorbei. Darum mein Plädoyer: Seien Sie mutig, arbeiten Sie jetzt strategisch an Ihrem Organisations-System! Dazu gehört natürlich die (digitale) Ausgestaltung Ihrer Angebot, aber auch und vor allem die Art und Weise, wie Sie als Team zusammenarbeiten und kommunizieren.
Wo können Sie anfangen? Startpunkt ist, wie bei so vielem, eine klare, begeisternde Vision.
2. Was eine Vision ausmacht
Die beste mir bekannte Definition für eine Vision ist „Ein Zukunftsbild, das Begeisterung auslöst“. Auch wenn sich vieles ändern mag – eine gute Vision bleibt wirksam, und sie ist positiv. Denn in ihr ist das „Warum“ der Organisation zu finden (siehe Golden Circle, Simon Sinek). Das „Wie“ und das „Was“ einer Organisation oder eines Unternehmens können sich dementsprechend ändern, aber das „Warum“ bleibt gleich. Es ist das Herzstück. Eine Vision ist, im Gegensatz zu einem Ziel, nicht auf einen bestimmten Zeitraum bezogen und zwar klar, aber dennoch weit genug, um viele verschiedene Formen der Ausgestaltung zu ermöglichen.
Organisationen, die schon gemeinsam eine Vision entwickelt und eine Strategie erarbeitet haben, wie sie das nächste Jahr oder die nächsten Monate auf dem Weg dorthin gestalten möchten, sind jetzt glasklar im Vorteil. Über vieles muss man gar nicht mehr sprechen. Zuständigkeiten und Strukturen werden einfach angepasst, wo sie dem größeren und auch dem kurzfristigen Ziel dienen.
Andere Organisation, die sich bisher an einer einzelnen Leitungsfigur oder an einer nur schwammigen Vision und Strategie orientiert haben, können jetzt leicht ins Trudeln geraten. Denn ihnen fehlt die Basis für effektives agiles arbeiten.
3. Wie man eine Vision erarbeitet
In Sozialorganisationen wie in Unternehmen gilt es bei der Visionsarbeit herauszufinden: Was treibt uns eigentlich an? Für was wollen wir bekannt sein? Was sind unsere tiefsten Überzeugungen? Was eint uns? Wo wollen wir hin?
Ich bin ein großer Freund davon, dass eine Vision nicht nur von der Passion eines Gründers oder einer Gründerin bestimmt wird, sondern dass ein partizipativer Prozess ans Licht bringt, was in jedem Mitarbeiter und in jeder Mitarbeiterin schlummert. Dazu gehört das, was da ist, aber auch das, was sich die einzelnen Personen noch wünschen, was sie noch viel begeisterter zur Arbeit kommen lassen würde.
In meinen Workshops nutze ich darum auch partizipative Instrumente und Methoden, um die Worte, die das Herz der Organisation beschreiben, aus den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herauszulocken. Dafür ist ein wertfreier Raum essentiell. Alles darf gesagt werden, alles darf auf den Tisch kommen und jede/r wird gehört.
Im nächsten Schritt werden die Ergebnisse geordnet – wo sind wir uns einig? Wo beschreiben wir verschiedene Dimensionen? Das kann durch das Team passieren oder ich als Moderatorin übernehme dies, denn manchmal hilft der Blick von außen, um zu erkennen, dass viele Personen das Gleiche mit unterschiedlichen Worten gesagt haben.
4. Warum Visionsarbeit (trotzdem) Führungsarbeit ist
Nach diesem partizipativen Prozess, ist es meines Erachtens trotzdem essentiell, dass die Leitung der Organisation sich der Vision als Führungsarbeit annimmt. Was ist damit gemeint? Zum ersten, die Verantwortung für die letztendliche Formulierung: Wie bringen wir die Vision so zum Klingen, dass sie wirkt und wirklich Begeisterung auslöst?
Zum Zweiten ist es Führungsaufgabe, die Vision lebendig werden zu lassen und lebendig zu halten: sie zu verkünden, auf sie Bezug zu nehmen und — vor allem!- sie in Strategien umzusetzen, die jeden Bereich und damit auch jeden Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin der Organisation zu jedem Zeitpunkt betrifft. „Herunterbrechen“ nennt man das, aber wichtig ist dabei, dass in jedem heruntergebrochenen Stückchen auch das große Ganze enthalten ist. Dass jede Person in der Organisation den Zusammenhang zwischen den eigenen bereichsbezogenen Zielen und Aufgaben mit der großen Organisations-Vision erkennt. Dass ein Team an diesen Punkt kommt – das ist Führungsaufgabe, und zwar keine kleine!
5. Was die OKR-Methode damit zu tun hat
Die große Herausforderung, nach der Formulierung einer begeisternden Vision, ist genau diese Umsetzung auf die kleinteilige Team-Ebene. Ein hilfreiches Instrument dafür finde ich die OKR-Methode, die mittlerweile in vielen agil arbeitenden Unternehmen und Organisationen für Erfolge sorgt. Ich habe selbst schon in einigen Sozialorganisationen diese Methode angeregt – und sehe Erfolge!
Die OKR-Methode ist ein sehr gutes Instrument für Organisationen, die effektiv, ambitioniert, ergebnisorientiert und partizipativ arbeiten möchte. Dabei werden messbare Ziele für einen bestimmten Zeitraum (meistens 3 Monate) definiert. Diesen Zielen werden dann Key Results, konkrete „Meilensteine“ zugeordnet. Nach dem Ablauf einer bestimmten Zeit, häufig 3 Monate, werden diese Meilensteine überprüft: Was konnte erreicht werden, was nicht? Was muss angepasst werden? Dabei werden Meilensteine flexibel angepasst, Ziele eher nicht.
6. Vision und OKR-Methode: hilfreich gerade jetzt!
Auch wenn sich gerade durch den Corona-Lockdown so viel ändert: Eine lebendige Vision muss in dieser Krise immer noch gültig bleiben. Das „Warum“ bleibt, aber das „Wie“ und vielleicht auch das „Was“ einer Organisation kann sich anpassen. Für Sozialorganisationen, die hier noch keine klare Entscheidung getroffen haben und jetzt besonders herausgefordert sind, ihre tägliche Arbeit neu zu definieren und zu organisieren, ist die OKR-Methode ein dienliches Instrument. Ziele können definiert oder, wenn schon vorhanden, angepasst werden. Meilensteine schaffen das Gefühl, an etwas konkretem zu arbeiten und der Turnus von regelmäßigen Retrospektiven hilft, auf der Spur zu bleiben, auch wenn sich kurzfristig Dinge ändern oder angepasst werden müssen. Es kann flexibel auf neue Gegebenheiten reagiert werden – und wir wissen alle, dass es darauf jetzt ankommt! Organisationen, die hier schon geübt sind, haben einen meilenweiten Vorsprung vor denen, die jetzt auf die Schnelle ihre Angebote UND ihre Art zu arbeiten ändern müssen.
Aber auch für diejenigen, die jetzt in einer Welt aufgewacht sind, in der plötzlich alles digital und agil funktionieren muss, gilt: Jetzt ist die Chance. Am System arbeiten Sie gerade sowieso, also machen Sie es klug und weitsichtig! Sie werden es nicht bereuen.